Prostatakarzinom - Prostatakrebs

Anatomie und biologische Funktionen der Prostata (Vorsteherdrüse)

Die Prostata, auch Vorsteherdrüse genannt, ist ein rundlich bis oval geformtes drüsenförmiges Organ, welches direkt unterhalb der Harnblase dem Beckenboden aufsitzt. (Abb. 1) Die Prostata wird den inneren (akzessorischen) Geschlechtsorganen des Mannes zugerechnet. Durch das Zentrum der Prostata zieht die Harnröhre, welche aus dem Blasenhals abgeht und den Urin nach außen transportiert. Durch die Prostata ziehen auch die beiden Samenleiter, die im Zentrum der Prostata am so genannten Samenhügel in die Harnröhre einmünden. Die Samenleiter gehen aus den Nebenhoden hervor, verlaufen dann zusammen mit den Hodengefäßen im Samenstrang durch den Leistenkanal und biegen am inneren Leistenring wieder nach unten (kaudal) ins kleine Becken ab, um von der Seite her dann durch die Prostata bis zur Harnröhrenmündung zu ziehen.

Durch die Samenleiter werden beim Orgasmus (Samenerguss) die im Hoden produzierten und Nebenhoden gespeicherten Samenzellen in rhythmischen Bewegungen in die Harnröhre abgegeben und dann zusammen mit der Samenflüssigkeit nach außen ejakuliert. In die Samenleiter münden noch im Prostatabereich auf jeder Seite die Ausführungsgänge der Samenblasen. Das Sekret der Prostatadrüsen steuert ca. 20-30 % des Volumens der Samenflüssigkeit (Sperma) bei. Die biologische Funktion der Prostata besteht in der Produktion des Prostatasekretes, welches Bestandteil der Samenflüssigkeit (Sperma) darstellt und dessen zahlreiche Nährstoffe (Eiweiße, Mineralien) zur Überlebens- und  Befruchtungsfähigkeit der Samenzellen beiträgt, wenn diese beim Koitus in die Scheide ejakuliert worden sind.

Neben seinem Beitrag zur Fruchtbarkeit des Mannes stellt die Prostata auch ein Sexualorgan dar und trägt mit zum lustvollen Erleben des Orgasmus bei. Diese bei vielen Männern und auch Ärzten nicht bekannte Funktion der Prostata als Lustorgan macht sich zum Beispiel die Tantralehre (aus Indien und dem Buddhismus hervorgehend) zu eigen, indem sie bei sexueller Stimulation die Prostata als Lustorgan mit in den Mittelpunkt stellt, wobei durch anale Stimulation der Prostata mit den Fingern der Partnerin den Männern zu einem wesentlich intensiver erlebten Orgasmus verholfen wird. Auch im afrikanischen Raum ist diese Liebestechnik teilweise verbreitet.

Epidemiologie des Prostatakrebs

Der Prostatakrebs (syn. Prostatakarzinom) ist mittlerweile zum häufigsten Männerkrebs weltweit geworden. Wie eine 2002 publizierte Arbeit zeigt ist der Prostatakrebs mittlerweile für 30 % aller männlichen Krebserkrankungen verantwortlich und nimmt unangefochten eine traurige Spitzenposition ein. Das Pendant bei der Frau stellt hier der Brustkrebs dar, der für 31 % aller weiblichen Krebserkrankungen verantwortlich ist.

Nach einer Studie des internationalen Krebsforschungszentrums IARC wurden im Jahre 2006 in den in dieser Studie erfassten 39 Europäischen Länder 3,2 Millionen Fälle (2004: 2,9 Mio.) an neuen Prostatakrebserkrankungen diagnostiziert, wobei die häufigsten 5 Krebsarten in den 25 „alten“ EU – Staaten im Jahre 2006 in der Tab. 1 aufgelistet sind.

Sowohl die Tab. 2a und 2b als auch die Abb. 3 zeigen, dass einerseits unter den bösartigen Neuerkrankungsfällen beim Mann der Prostatakrebs einsam an der Spitze steht, dass aber andererseits das Prostatakarzinom nur an dritter Stelle steht, was die jährlichen Krebstodesfälle beim Mann angeht. Wie auch die Abb. 3 eindrucksvoll zeigt beträgt die Mortalität nur etwa die Hälfte der Neuerkrankungsfälle. Aus diesem Grunde gilt auch heute weiterhin der Satz:

Die Mehrzahl der Männer (über 80 %) stirbt mit aber nicht an ihrem Prostatakrebs.

Wie die Abb. 3 eindrucksvoll belegt gibt es deutliche ethnische und geographische Unterschiede bezüglich Häufigkeit und Sterblichkeit (Mortalität) des Prostatakrebses. Dies hängt unter anderem mit den unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten zusammen. So ist die Häufigkeit des Prostatakarzinoms in Ländern wie China und Japan, wo Soja- (Isoflavon) haltige Nahrung täglich auf dem Speisezettel steht, mit am Geringsten, während die schwarze Bevölkerung der USA mit 60-100/100.000 Einwohnern weltweit die höchste Prostatakarzinominzidenz aufweist. Interessant hierbei ist, dass z.B. Japaner, welche früh in die USA auswanderten, ein deutlich höheres Prostatakrebsrisiko aufweisen als in Japan lebende Japaner. Der Häufigkeitsgipfel des klinisch manifesten Prostatakarzinoms ist zwischen dem 60. und 80. Lebensjahr und steigt von ca. 20 /100.000 im 55. Lebensjahr auf über 500/100.000 bei 85jährigen. Vor dem 40. Lebensjahr stellt die Manifestation eines Prostatakarzinoms eine extrem seltene Ausnahme dar (ein persönlich erlebter Fall in 25 Jahren urologischer Tätigkeit).

Den Ausführungen des Robert Koch Institutes zur Folge wurden in 2008 in Deutschland 63.440 Neuerkrankungen an Prostatakrebs registriert wobei im selben Jahre 12.134 Männer an Prostatakrebs verstorben sind. Seit 1999 hat die Zahl der neu an Prostatakrebs erkrankten Männer um 50 % zugenommen.

Familäre Häufung – Vererbung des Prostatakarzinoms

Mittlerweile ist eindeutig bewiesen, dass beim Prostatakrebs eine familiäre Häufung vorkommen kann und dass das Risiko männlicher Familienangehöriger, an Prostatakrebs zu erkranken, deutlich zunimmt, wenn Vater, Opa, Onkel oder Geschwister auch an Prostatakrebs erkrankt waren/sind. Wie hoch das individuelle Risiko ist, an einem Prostatakarzinom zu erkranken, wenn bereits enge Verwandte daran erkrankt waren, zeigt Tab. 3:

Die Frage, ob der familiär gehäuft auftretende Prostatakrebs generell aggressiver als der sporadisch auftretende Prostatakrebs ist, wurde unlängst von einer Autorengruppe untersucht, wobei sie keine Unterschiede bezüglich der Rezidiv- und Überlebensraten fanden (Abb. 4).

Beim familiären Prostatakrebs erfolgt der Beginn der Erkrankung etwa 6 Jahre früher als beim sporadischen Prostatakarzinom. Ein eigentliches Prostatakrebs-Gen - ein so genanntes Hochrisiko - Allel – konnte bislang nicht identifiziert werden, weshalb man zum momentanen Zeitpunkt von einem polygenen/multifaktoriellen Geschehen ausgeht. Diesbezüglich wurden insbesondere bei jungen (< 60 Jahre) an Prostatakrebs erkrankten Männern mehrere Genvarianten mit einer hohen Penetranz identifiziert, welche das Risiko an Prostatakrebs zu erkranken deutlich erhöht, wobei aber auch entsprechende Umwelteinflüsse zu einem erhöhten Risiko, an einem Prostatakarzinom zu erkranken, hierzu beitragen.

Generell spricht man auf Grund der Definition von Carter (Carter, B.S. et al: Mendelian inheritance of familial prostate cancer. Proc. Natl. Acad. Sci. USA, 1992, 89, 2267-3371) von einem hereditären (vererbbaren) Prostatakrebs, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

  • drei Betroffene in aufeinander folgenden Generationen (mütterlicher- und väterlicherseits)
  • mindestens drei betroffene Verwandte ersten Grades oder
  • zwei Brüder mit einem Erkrankungsalter unter 55 Jahren

Beim hereditären Prostatakrebs geht man von einer Mutation in einem Hochrisiko-Gen aus.

Biologisches Verhalten des Prostatakarzinoms

Man weiß mittlerweile, dass je älter wir werden, desto häufiger entstehen in unserer Prostata Areale mit bösartig entarteten Zellen. Diese so genannten Autopsiekarzinome (entartete Areale in der Prostata von an anderen Krankheiten verstorbenen Männer) nehmen mit zunehmendem Alter enorm an Häufigkeit zu. So entwickeln über 40 % der 50-jährigen ein solches Autopsiekarzinom, wobei nur bei 9 % dieses klinisch manifest wird und unbehandelt zum Tode führen würde. Wirklich sterben aber nur 3 % ursachenspezifisch an diesem Prostatakrebs, weil zu spät erkannt oder behandelt worden ist. Derzeit geht man in Deutschland von jährlich ca. 65.000 neu diagnostizierten Fällen von Prostatakarzinom aus, wobei auch heute noch ca. 12.000 jährlich direkt an den Folgen des Prostatakrebses stervben, weil dieser zu spät erkannt und behandelt worden ist.

Auch diese Zahlen belegen:
Die Mehrheit der Männer stirbt mit einem aber nicht wegen einem Prostatakrebs, d.h., dass viele Männer mit Prostatakrebs an anderen Erkrankungen wie z.B Herzinfarkt, Diabetes, Schlaganfall sterben, um nur einige zu nennen.

Diagnostik des Prostatakrebses

Klinische Symptome des Prostatakrebses

Bis vor der so genannten PSA-Ära (80er Jahre) kamen die meisten Männer erst dann zum Urologen, wenn der Prostatakrebs bereits klinische Symptome verursacht hatte, so dass bis Mitte 1980 die meisten (70 – 80 %) zu diesem Zeitpunkt diagnostizierten Prostatakarzinome lokal fortgeschritten und oftmals schon metastasiert waren, ohne Aussicht auf Heilung. Typische klinische Symptome eines bislang unbekannten und nur durch klinische Beschwerden auffällig gewordenen Prostatakrebses sind:

  • Beschwerden beim Urinieren (Dysurie)
  • Blut im Urin (Hämaturie)
  • Kreuz-/Knochenschmerzen (wenn bereits Knochenmetastasen vorhanden sind)
  • Tastbare Lymphknoten in der Leiste oder am Schlüsselbeinansatz (bei fortgeschrittenen Lymphknotenmetastasen)
  • Beinschwellung durch Lymphödem bei Lymphknotenmetastasen
  • Schmerzen im Bereich der Flanken (durch gestaute Nieren bei fortgeschrittenem lokalen Wachstum des Prostatakrebses mit Verlegung der Harnleitermündung)

Zwar gibt es auch heute noch solche Fälle, wo Männer wegen eines oder mehreren der obig aufgeführten Symptome erstmalig einen Arzt bei fortgeschrittenem Prostatakarzinom aufsuchen, aber diese Fälle sind heutzutage glücklicherweise deutlich seltener geworden. Dies ist insbesondere auf die zunehmende Verbreitung des PSA-Testes zurück zu führen, der mittlerweile oftmals auch bei anderen Laboruntersuchungen quasi mitläuft und dann oftmals in der Lage ist, frühzeitig den Verdacht auf ein Prostatakarzinom auszusprechen und die entsprechende Diagnostik und Therapie einzuleiten.

Klinische Untersuchung des Prostatakrebses

Im Zentrum der klinisch-körperlichen Routine-Untersuchungen zum Nachweis/Ausschluss eines Prostatakarzinoms stehen das Abtasten der Prostata durch den After mit dem Finger (rektale Prostatapalpation) sowie der PSA-Test.  

Rektale Palpation (Abtasten der Prostata)

Hierbei tastet der Urologe mit dem Finger durch den Analkanal die Rückfläche (Dorsalfläche) der Prostata ab. Die Trefferquote dieser Untersuchung hängt entscheidend von der Erfahrung des Untersuchers ab (ein Urologe, der täglich 30-40 Prostatauntersuchungen durchführt kann naturgemäß wesentlich besser beurteilen, ob die Prostata suspekt ist als ein Hausarzt/Internist, der pro Tag vielleicht 2-3 derartiger Untersuchungen vornimmt). Sie hängt aber auch davon ab, in welcher Region der Prostata der Karzinombefund ist. Ist der Krebsknoten mehr zur Mitte zu oder im vorderen (ventralen) Anteil der Prostata gelegen so entgeht er dem Finger des Untersuchers. Als Faustregel lässt sich sagen, dass ca. 70 % klinisch relevanter Prostatakrebse durch eine rektale Untersuchung erfasst werden können. Man muss aber bezüglich der Trefferquote der rektalen Prostatauntersuchung fairer weise sagen, dass, wenn ein Prostatakrebs auf Grund eines Tastbefundes auffällig wird (man tastet dann einen harten Knoten in einem Prostatalappen bzw. einen insgesamt verhärteten Prostatalappen oder aber eine insgesamt holzharte Prostata), der Prostatakrebs oftmals lokal bereits fortgeschritten ist und in über der Hälfte (50% – 60%)  der Fälle die Prostatakapsel durchbrochen hat (Stadium pT3), so dass die Prognose, was das tumorfreie Langzeitüberleben auch nach operativer Entfernung des Prostatakrebses anbelangt, deutlich schlechter wird.

Aus diesem Grunde ist die rektale Palpation der Prostata keine geeignete Früherkennungsmaßnahme beim Prostatakrebs sondern ist lediglich geeignet den Verdacht auf das Vorliegen eines Prostatakrebses zu erhärten/verifizieren.

Die Untersuchung selbst ist harmlos, in erfahrenen Händen/Fingern schmerzfrei und dauert beim erfahrenen Urologen nicht länger als 10-20 Sekunden. Zu Unrecht haben viele Männer Angst vor dieser wirklich harmlosen Untersuchung und gehen deshalb nicht zum Urologen.

PSA (Prostataspezifisches Antigen)

Bei dem PSA handelt es sich um eine Glykoprotein-Serin-Protease, die in den Drüsenzellen der Prostata gebildet wird und dessen biologische Funktion u.a. darin besteht, das Sperma (Seminalplasma) flüssig zu machen.

Der Name Prostata spezifisches Antigen geht auf Wang zurück, der 1979 erstmals ein Gewebe (Prostata) spezifisches Antigen aus der Prostata isolierte. 1980 wurde das PSA erstmalig quantitativ von Papsidero gemessen und kurz danach war es Stamey aus den USA, der den klinischen Nutzen des PSA als Tumormarker zum Erkennen eines Prostatakarzinoms hervorhob.

PSA wird sowohl von normalen als auch von gutartig vergrößerten oder aber bösartig entarteten Prostatazellen produziert (exprimiert) und einerseits in das Seminalplasma andererseits in die Blutbahn abgegeben. Die Konzentrationen im Sperma sind dabei ca. 1000mal höher als im Blut.

Im Blut (Serum) ist das PSA größtenteils gebunden an den so genannten Proteinaseinhibitor alpha 1 Antichymotrypsin, ein kleiner Teil des PSA liegt in freier Form (f PSA bzw. freies PSA) vor. Beides zusammen, das freie PSA und das an alpha Chymotrypsin gebundene PSA ergeben das totale PSA (Gesamt PSA). Bei der routinemäßigen PSA-Bestimmung beim Arzt wird zunächst nur das totale PSA (Gesamt PSA) gemessen. Das Ausmaß der PSA - Exprimierung ist dabei einerseits genetisch gesteuert andererseits unterliegt es aber  auch hormonellen Einflüssen: Die männlichen Geschlechtshormone Testosteron und Dehydrotestosteron stimulieren (steigern) die PSA-Exprimierung ebenso wie Krankheitsprozesse, welche die Gewebebarriere zwischen Drüsenlumen und Gefäßen durchlässiger machen. Dies ist z. B. der Fall, wenn Entzündungen der Prostata (Prostatitis), Harnwegsinfekte oder aber auch eine Entartung (Prostatakrebs) vorliegen. Dann gelangt wesentlich mehr PSA in den Blutkreislauf, die PSA-Werte steigen dann bisweilen dramatisch an. Das bereits Gesagte zeigt schon, dass der PSA-Wert keinesfalls spezifisch für die Diagnose Prostatakrebs ist. Es gibt durchaus die Situation, dass bei akuten Prostata- oder Harnwegsinfekten die PSA-Werte vorübergehend um das 5 – 10 fache (bis auf 30 – 50 ng/ml) ansteigen. Auch bei großen gutartigen Prostatavergrößerungen (sog. Prostataadenome) sind erhöhte PSA-Werte (meist zwischen 3 und 15, selten bis 30 ng/ml) möglich, wobei die Höhe des absoluten PSA-Wertes dann entscheidend von der Größe der Prostata abhängig ist (siehe hierzu auch Kapitel PSA-Dichte). Insbesondere ab einer Prostatagröße von ca. 50 ccm (die Prostatagröße kann beim Urologen leicht mittels Ultraschall bestimmt werden) korrelieren die PSA-Werte mit der Größe der Prostata, wobei in der Urologischen Praxis immer wieder gutartige Prostatavergrößerungen (Prostataadenom) von 120 – 200 ccm mit PSA-Werten von 8 – 30 ng/ml vorkommen.

Trotz dieses relativen Mangels an Spezifität des PSA-Wertes, insbesondere was den Messbereich 3-10 ng/ml betrifft, ist dies PSA-bestimmung nicht mehr aus der Diagnostik des Prostatakarzinoms und insbesondere aus der weiteren Verlaufsbeobachtung beim Prostatakarzinom nach eingeleiteter Therapie wegzudenken, wie immer sie auch geartet ist.

Wie die Abb. 5 zeigt kam es mit der routinemäßigen Anwendung des 1980 erstmals eingeführten PSA-Testes Mitte/Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre zu einer quasi explosionsartigen Zunahme neu diagnostizierter Prostatakrebse. Publikumswirksame Maßnahmen, wie die Widmung einer Briefmarke dem Prostatakrebs in den USA, verfehlten nicht ihr Ziel: Alleine zwischen 1986 und 1991 kam es zu einer Zunahme neu diagnostizierter und behandelter Prostatakrebse von 82 % (siehe Abb. 5). Dies hatte zweierlei Auswirkungen (eine positive und eine negative) auf das weitere Geschehen:

  1. Wurde die Mehrzahl der auf Grund des PSA Screenings neu diagnostizierten Prostatakrebse heilbar, sodass mittlerweile 65-80 % aller heutzutage diagnostizierter Prostatakrebse im Stadium 1 bzw. 2 und damit heilbar sind (bis in die 70 er Jahre, also vor der PSA-Ära war das Verhältnis genau umgekehrt!)
  2. Die Kehrseite der Medaille aber ist, dass heutzutage viel zu viele klinisch irrelevante Prostatakrebse operiert werden, welche für den Betroffenen nie lebensbedrohlich geworden wären (aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass 30-40 % aller derzeit operierten Prostatakarzinome darunter fallen). Da sowohl die radikalchirurgische Entfernung der Prostata als auch die Strahlentherapie nicht selten erhebliche Beeinträchtigungen für den Einzelnen nach sich ziehen, insbesondere was die Sexualität, seltener die Kontinenz angeht, sollten diese Zahlen zum Nachdenken Anlass geben. Ganz abgesehen von den hohen Kosten, welche  die zu viel operierten/bestrahlten Patienten dem Gesundheitswesen jährlich verursachen.

Verschlimmert wird diese Situation noch durch die Tatsache, dass in den letzten Jahren die so genannten Cut-off-Werte für das PSA (Wert, ab welchem die Wahrscheinlichkeit für einen Prostatakrebs deutlich ansteigt) von ehemals 4 ng/ml auf 2,5 – 3 ng/ml gesenkt wurden, so dass damit noch mehr klinisch insignifikante Prostatakrebse operiert werden mit all den damit verbundenen negativen Auswirkungen auf die Sexualität.

Diese Senkung der PSA-Cut-off Werte von ehemals 4 ng/ml auf 2,5-3 ng/ml rührt von der so genannten Prostate Cancer Prevention Studie her, der größten, über 7 Jahre angelegten Langzeitstudie, in welcher über 18.000 Männer eingeschlossen wurden, bei welchen PSA-Werte, rektale Palpation der Prostata und Prostatabiopsien zu Beginn und am Ende der Studie, also 7 Jahre danach, durchgeführt wurden und die Ergebnisse der beiden Therapiegruppen (Placebo versus selektiver Inhibitor der Steroid-5α-Reduktase) verglichen wurden.

Bei dieser Studie zeigte sich, dass auch Männer mit PSA-Werten zwischen 0,5 – 4 ng/ml durchaus ein Prostatakarzinom aufweisen können, wenn man bei ihnen Gewebeproben aus der Prostata (so genannte Prostatastanzbiopsien) entnimmt (siehe Tab. 4).

In der besagten Studie befanden sich 2.950 Männer im Alter zwischen 62 und 91 Jahren, bei welchen während der gesamten Studiendauer von 7 Jahren weder ein PSA-Wert  ≥ 4 ng/ml noch ein auffälliger Prostatatastbefund aufgetreten waren, wo aber dann die im Studienprotokoll vorgeschriebenen Prostatabiopsien in 449/2.950 (15,2 %) Fällen die Diagnose Prostatakrebs (Prostatakarzinom) ergeben haben.

Wie die Abb. 7 zeigt befanden sich unter den 449 Patienten mit in der Biopsie nachgewiesenem Prostatakrebs (Prostatakarzinom) 67 (15%), mit Gleason Klassifizierung 7-9, also per definitionem relativ bösartigen, d.h. aggressiven Prostatakrebsen. In einer weiteren groß angelegten Langzeitstudie wurde bei über 26.000 Männern in den USA das Prostatakrebsrisiko im Beobachtungszeitraum 1991-2001 analysiert (siehe Tab. 5). In dieser Langzeitstudie wurde eine Stratifizierung in 3 Altersgruppen vorgenommen:

40-49 Jahre , 50-59 Jahre und > 60 Jahre. Eine Prostatabiopsie wurde dann empfohlen bzw. durchgeführt, wenn der PSA-Wert < 4,0 ng/ml (galt bis zum Jahre 1995) bzw. > 2,5 ng/ml (galt nach 1995) war. Für alle 3 Altersgruppen wurde der Median - PSA bestimmt (Medianwert: 50 % der in der jeweiligen Altersgruppe gemessenen Werte liegen darunter und 50 % darüber). Lag der PSA-Wert unter dem altersspezifischen Medianwert so betrug das PSA-Risiko in dieser Screeningstudie 0,2 % ( 40-49 J.), 0,7 % (50-59 J.) und 2,7 %(> 60 J)

Freies PSA (f PSA) und Quotient freies PSA/Gesamt PSA

Wie schon zuvor erwähnt wird in der klinischen Routine zunächst das Gesamt PSA gemessen. Zahlreiche Studien der letzten 10 Jahre haben nun aber gezeigt, das beim Prostatakrebs im Gegensatz zur normalen Prostata bzw. zur gutartigen Prostatavergrößerung (Prostataadenom) der Anteil des freien PSA deutlich abnimmt, weshalb viele Autoren Cut-off Werte für das freie PSA vorschlagen, unter welchen die Wahrscheinlichkeit eines Prostatakarzinoms deutlich höher ist. Ermittelt wird hierbei der Quotient aus freiem PSA und Gesamt-PSA (f PSA/t PSA). Ist dieser Quotient < 0,20 dann erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass ein Prostatakarzinom vorliegt. Ist der fPSA/tPSA – Quotient < 0,15 bzw. < 0,10 steigt die Wahrscheinlichkeit eines Prostatakarzinoms deutlich an, auch bei Gesamt-PSA-Werten zwischen 2 und 4 ng/ml.

Man muss aber auch bezüglich der Aussagekraft des freien PSA-Wertes sagen, dass diese ebenfalls limitiert ist, und dass der freie PSA-Wert nur als eine weitere Entscheidungshilfe neben dem Gesamt-PSA-Wert, der PSA-Velocity und dem Prostatavolumen (Prostatagröße) bzw. der PSA-dichte angesehen werden kann, ob man eine Prostatabiopsie durchführen sollte oder nicht.

PSA – Density (PSA-Dichte):

Unter PSA-Dichte versteht man den Quotienten aus dem im Serum gemessenen Gesamt PSA und dem mit Ultraschall gemessenen Prostatavolumen (Prostatagröße) in ml bzw cm3:

PSA density = Gesamt-PSA / Prostatavolumen

In einer großen Studie an 1.699 amerikanischen Veteranen, welche bei PSA-Werten von < 10 ng/ml einer Prostatabiopsie unterzogen worden waren, fanden die Autoren heraus, dass das Risiko, an einem Prostatakrebs erkrankt zu sein, statistisch signifikant erhöht war (Regressionsanalyse, p < 0,05), wenn u.a. folgende Kriterien zutrafen (Quelle: Spurgeon, S. E. F. et al: Assessment of prostatespecific antigen doubling time in prediction of prostate cancer on needle biopsy. Urology 2007, 69, 931-935):

Gesamt-PSA > 2,9 ng/ml
PSA-density > 0,12 ng/ml/cm3

In einer anderen bereits schon oben zitierten großen Studie der Universität Washington wurden im Zeitraum 1990 – 2002 im Rahmen eines Prostatakrebs - Screeningprogramms insgesamt über 26.000 Männer in 6-monatigen Abständen mit PSA, rektalem Abtasten der Prostata und Ultraschall-Größenbestimmung der Prostata untersucht (Quelle: Kundu,S.D.et al: Prostate specific antigen density correlates with features of prostate cancer aggressiveness. J. Urol. 2007, 177, 505-509). Männer mit PSA-Werten > 4ng/ml bzw. > 2,5 ng/ml (ab Mai 1995) wurden einer Prostatabiopsie unterzogen. Bei 1.280 Männern wurde schließlich bei der Biopsie ein Prostatakrebs gefunden. Die Autoren korrelierten die verschiedenen Parameter wie Alter, T-Stadium, Gleason Score, Tumorvolumen > 0,5 cm3, mit der Wahrscheinlichkeit eines Fortschreitens des Prostatakrebses trotz radikaler Entfernung (radikale Prostatektomie) miteinander und kamen zu den in Tab. 6 zusammengefassten Ergebnissen:

Selbstverständlich setzt die Bestimmung der PSA - dichte eine sonographische Größenbestimmung der Prostata voraus, deren Durchführung praktisch nur der Urologe während seiner Facharztausbildung gelernt hat.

PSA-Velocity (PSA – Anstiegsgeschwindigkeit – PSA - Verdopplungszeit):

In den letzten Jahren sind viele Publikationen erschienen, die allesamt zu dem Ergebnis kamen, dass die so genannte PSA – Velocity (PSA – Anstiegsgeschwindigkeit) bzw. die PSA – Verdoppelungszeit, also der Zeitraum, in welchem sich der PSA – Wert verdoppelt, ein entscheidendes Kriterium dafür ist, ob:

1. ein Prostatakarzinom mit hoher Wahrscheinlichkeit vorliegt

und

2. welche Prognose der Patient hat.

Insbesondere die PSA-Velocity bzw. Verdoppelungszeit das Jahr vor der Diagnosestellung Prostatakrebs hat einen Einfluss auf die Prognose. Über das langfristige Verhalten des PSA-Wertes bei Patienten ohne Prostatakrebs und solchen, bei denen sich über die Zeit ein Prostatakarzinom entwickelt, gibt eine groß angelegte Studie aus Tirol Aufschluss (Quelle: Berger et al: Longitudinal changes in men with and without prostate cancer: assessment of prostate cancer risk. Prostate 2005, 64, 240 – 245): bei 2.815 Einwohnern des österreichischen Bundeslandes Tirol wurden über einen Zeitraum von 10 Jahren insgesamt 32.661 PSA – Bestimmungen durchgeführt. Bei 353 Männern, bei welchen über einen Zeitraum von mindestens 6 Jahren das PSA bestimmt worden war und bei welchen dieser entweder angestiegen oder der Tastbefund der Prostata verdächtig war, wurde stanzbioptisch ein Prostatakarzinom festgestellt. Kriterium zur Durchführung einer Prostatabiopsie waren u.a. entweder ein Anteil an freiem PSA von 22 % bzw. ab 1995 von 18 % oder ein Gesamt PSA von > 10 ng/ml. Wie die Abb. 8 eindrucksvoll belegt kommt es bei der Entwicklung eines Prostatakarzinoms zunächst in den ersten Jahren zu einem linearen Anstieg des PSA-Wertes, der dann in einen exponentialen Anstieg ausmündet.

Bis vor kurzem wurden PSA-Anstiegszeiten von 0,75 ng/ml/Jahr als verdächtig auf die Entstehung eines Prostatakarzinoms angesehen, wenn diese über 2-3 Jahre bestanden. In einer 2007 publizierten Arbeit wurden die alterskorrelierten PSA-Werte und insbesondere die PSA-Velocity anhand einer riesigen Datenbasis analysiert (Quelle: Moul, J.W. et al: Age adjusted prostate specific antigen and prostate specific antigen velocity cut points in prostate cancer screening. J Urol 2007, 177, 499-504) In der Datenbasis des Duke Prostate Center waren 33.643 Männer gespeichert, wovon 11.861 Männer 2 oder mehr PSA-Messungen innerhalb von 2 Jahren hatten. Die Prävalenz (Häufigkeit) des Prostatakrebses war in dieser großen Beobachtungsserie wie folgt:

50-59 Jahre: 8 % (n=273)
60-69 Jahre: 14,9 % (n=659)
> 70 Jahre: 17,9 % (n=722)

Auf Grund ihrer Ergebnisse kommen die Autoren zu dem Schluss, dass insbesondere in der jüngeren Altersgruppe 50-59 Jahre bei PSA-Cut-off Werten von 4 ng/ml und Cut-off Werten der PSA-Velocity von 0,75 ng/ml das Risiko auf das Vorhandensein auf einen Prostatakrebs eindeutig unterschätzt wird. Die Autoren empfehlen deshalb, dass bei jüngeren Männern (< 60 Jahre) folgende Cut-Off Referenzwerte zur Entscheidungsfindung, ob eine Prostatabiopsie durchgeführt werden soll oder nicht, genommen werden sollen:

Männer < 60 Jahre
Gesamt PSA- Cut - off Wert : 2 ng/ml
PSA-Velocity: 0,4 ng/ml/Jahr

Schließlich wurden jüngst die Daten einer großen Prostatakrebs - Screening Studie publiziert, an welcher 13.276 Männer teilgenommen hatten, von denen wegen Überschreitens des festgesetzten PSA-cut-off Wertes 1.851 einer Prostatabiopsie unterzogen worden waren, wobei schließlich bei 894 Männern ein Prostatakarzinom diagnostiert worden ist. (Quelle: Yu,X et al: The Association between total specific antigen concentration and prostate specific antigen velocity. J. Urol. 2007, 177,1298 – 1302)
Die Autoren konnten dabei einen eindeutigen Zusammenhang zwischen den gemessenen PSA-Gesamtwerten und der PSA-Velocity pro Jahr feststellen:

Die Autoren konnten dabei zeigen, dass eine PSA-velocity > 2 ng/ml/Jahr mit einer erhöhten Prostatakrebssterblichkeit einhergeht.

PSA- Isoformen und Komplexer PSA-Test

In den letzten Jahren wurde verschiedene Methoden zur Bestimmung von so genannten PSA-Isoformen wie komplexiertes PSA, humanes Kallikrein 2 (HK2) und pro-PSA entwickelt und bezüglich ihres Diskriminierungspotenzials zwischen gutartigen Prostatavergrößerungen und Prostatakrebs diskutiert, wobei der momentane Sachstand ist, dass keine der genannten Bestimmungsmethoden Eingang in die breite klinische Anwendung gefunden hat und den anderen Parametern wie Bestimmung des freien PSA, der PSA- velocity und der PSA-densityeindeutig unterlegen sind. Es soll deshalb hier auf diese Methoden nicht näher eingegangen werden.

Das Problem der unterschiedlichen PSA-Bestimmungsmethoden und deren Vergleichbarkeit

Es ist eine in der Literatur häufig diskutierte Tatsache, dass es

1. eine Anzahl verschiedener PSA-Bestimmungsmethoden, angeboten von verschiedenen Herstellern, gibt

und

2. eine hohe Variabilität zwischen diesen PSA-Bestimmungsmethoden bezüglich der gemessenen Gesamt-PSA-Werte existiert. 

Will heißen: Der beim Hausarzt gemessene PSA-Wert kann erheblich von dem beim Urologen oder andernorts gemessenen PSA-Wert abweichen!

Auf diese große Problematik wurde jüngst in einer ausführlichen Übersichtsarbeit hingewiesen (Quelle: Soletormos, G. et al: Biological variation of total prostate specific antigen: a survey of published estimates and consequences for clinical practice. Clin. Chem. 2005, 51, 1342-1351)

Die Autoren fanden eine durchschnittliche Variabilität von 20 % zwischen den verschiedenen PSA-Testen (~ 33 % bei 95 % Konfidenz Intervall), d.h., dass bei einem wirklichen PSA-Wert von z.B. 4,5 mit dem einen Testverfahren ein PSA-Wert von 3,0 und mit dem anderen Testverfahren von 6,0 ng/ml gemessen werden kann. Welche klinische Konsequenzen solche großen, bis zu 100 % igen Unterschiede der gemessenen Gesamt - PSA-Werte nach sich ziehen können sollte anhand der obig beschriebenen Ergebnisse auch jedem Laien klar geworden sein. Leider hat sich im Zeitalter des „Arzthoppings“ oftmals eingebürgert, dass ein Mann mit einem grenzwertigen PSA-Wert diesen dann beim Internisten, beim Hausarzt und beim Urologen messen lässt und dann 3 verschiedene Werte erhält, die, wie schon aufgezeigt durchaus zwischen 2 und 4 ng/ml schwanken können – damit ist keinem geholfen!!

Für jeden Mann ab 40 Jahren gilt deshalb uneingeschränkt: Die PSA-Werte müssen immer beim selben Arzt bzw. im selben Labor mit derselben Bestimmungsmethode gemessen werden, da sie sonst nicht miteinander vergleichbar sind und sonst zu schwer wiegenden diagnostischen und psychischen Konsequenzen führen können.

Individuelle Faktoren, welche den PSA-Wert beeinflussen / verfälschen können:

Aus verschiedenen Studien und dem klinischen Alltag ist bekannt, dass bestimmte individuelle Faktoren/Begleitumstände den gemessenen PSA-Wert im Sinne einer Erhöhung negativ beeinflussen können. Insbesondere sind dies all die Faktoren/Umstände, welche eine direkte oder indirekte Beteiligung der Prostata zur Folge haben, wie z.B. Verrichtungen, die entweder mit einer direkten oder indirekten Druckausübung auf die Prostata einhergehen, wie dies bei sexuellen und/oder sportlichen Betätigungen, aber auch ärztlichen Handlungen gerne der Fall ist. Die wichtigsten Faktoren, welche zu einer fälschlichen Erhöhung des PSA führen können, sind in der Tab. 10 aufgelistet.

Abschließende Empfehlungen zum sinnvollen Prostata-Screening

Da mittlerweile Bücherregale an Publikationen über Cut-off Werte für Gesamt-PSA, freies PSA und PSA-Velocity existieren, welche mehr dazu angetan sind sowohl Laien als auch Ärzte zu verwirren, denn Ihnen Sicherheit zu geben, erscheint insbesondere unter Berücksichtigung der in den letzten 2 Jahren publizierten großen Studien mit Zehntausenden von Männern derzeit folgendes Fazit zum PSA erlaubt:

  1. Jeder Mann sollte mit 40-45 Jahren erstmals einen PSA-Wert bestimmen lassen.
  2. Ist der PSA-Wert im Bereich des alterskorrelierten Medianwertes (siehe Tab. 4: < 50 Jahre 0,7 ng/ml , < 60 Jahre 0,9 ng/ml, > 60 Jahre 1,4 ng/ml) so genügt die nächste PSA-Bestimmung in 2 Jahren.
  3. Liegt der gemessene PSA-Wert über dem alterskorrelierten Medianwert so sollte beim Urologen eine rektale Palpation der Prostata und eine sonographische Größenbestimmung der Prostata erfolgen und davon das weitere Vorgehen abhängig gemacht werden. Bei PSA-dichte-Werten > 0,15 ng/ml/cm3 bzw. fPSA/tPSA-Quotienten < 0,20 sollten die Untersuchungen in 4-6-monatigem Abstand wiederholt werden.
  4. Liegt der PSA-Wert in den Altersgruppen 40 – 59 Jahre über dem alterskorrelierten Medianwert aber noch unter 3 ng/ml so sollte bei unverdächtigem Prostatatastbefund und PSA-dichte Werten < 0,15 ng/ml/cm3 in 6 Monaten eine erneute PSA-Kontrolle mit Bestimmung des freien PSA-Wertes und der PSA-dichte erfolgen, um u.a. einen Hinweis auch auf die PSA-Velocity zu erhalten.
  5. Ist die Prostata sonographisch deutlich vergrößert (Volumen > 50 ccm) so ist der gemessene PSA-Wert nicht nur in Korrelation zum Alter sondern auch in Korrelation zur Prostatagröße (PSA-dichte!) zu sehen. Große Prostataadenome mit Volumina von 80-150 ccm oder noch größer haben nicht selten Gesamt-PSA Werte von zwischen 4 und 12 ng/ml oder noch mehr (persönliche Erfahrungen bis 35 ng/ml), ohne dass diese erhöhten PSA-Werte durch Krebszellen bedingt sein müssen. Bei solchen großen, gutartigen Prostataadenomen geben PSA-velocity, PSA-dichte und freies PSA weitere Hinweise auf die Dignität der Prostata.

Alle großen Studien der jüngsten Vergangenheit haben gezeigt, dass die PSA-velocity auch bei gutartigen Prostataprozessen alterskorreliert ansteigt (siehe auch Tab. 5) aber bei weitem nicht so stark wie beim Prostatakarzinom.

Histologische Klassifizierung des Prostatakrebses

(Beurteilung der Bösartigkeit / Aggressivität) nach Gleason

Wie schon aus dem vorher Gesagten ersichtlich wird gibt es unterschiedliche Klassifizierungen des Prostatakrebses im Sinne einer unterschiedlichen Bösartigkeit/Aggressivität. Weltweit hat sich hier die Klassifizierung (Grading) nach Gleason durchgesetzt (Gleason, D.F. Human Pathology, 1992, 23, 273-279). Zum besseren Verständnis sei hier kurz das Prinzip des Gleason-Grading dargestellt: Es richtet sich nach der im Mikroskop beurteilten Architektur der Prostatadrüsen, wobei laienhaft ausgedrückt Folgendes zutrifft: Je ungeordneter (undifferenzierter) die Prostatadrüsen im Biopsiepräparat erscheinen desto höher die Bösartigkeit und Aggressivität des Krebses:

Gleason Score 1: uniforme Drüsen, scharf abgegrenzt zu anderen Gebestrukturen
Gleason Score 2: weniger uniforme Drüsen und weniger abgegrenzt
Gleason Score 3: unregelmäßige Drüsen, unscharf abgegrenzt
Gleason Score 4: Verschmelzung der Drüsen mit Infiltration in die Umgebung
Gleason Score 5: gerade noch erkennbare Drüsenstrukturen mit Vakuolenbildung

Bei denn Prostatabiopsien werden insgesamt zwischen 8 und 12 Biopsien aus verschiedenen Arealen der Prostata (aus beiden Prostatalappen je 4-6 Biopsate) entnommen und die so gewonnenen 15-25 mm langen Stanzzylinder im Mikroskop untersucht. Es werden dabei je Zylinder 2 unterschiedliche Tumorareale bewertet, woraus sich dann der Gleason-Score errechnet.
Beispiel: Hat ein Tumorareal die überwiegende Drüsenstruktur Gleason 4 und das andere Tumorareal überwiegend Gleason 3 dann ergibt sich insgesamt ein Gleason-Score von 7 (4+3). Auf Grund zahlreicher Langzeitstudien weiß man heute, dass Prostatakarzinome, welche einen Gleason-score von < 7, also Gleason-Score  2-6, aufweisen eine insgesamt günstige Prognose aufweisen, während Prostatakrebse mit der Klassifizierung Gleason-Score 7-10 eine deutlich schlechtere Prognose zeigen, auch wenn sie in kurativer Absicht radikal operiert worden sind.

Histologische Klassifizierung des Prostatakrebses nach WHO (World Health Organization)

Die nach WHO vorgenommene Klassifizierung beurteilt einerseits die Drüsenarchitektur, andererseits die Zellkernstruktur:

Beurteilung der Drüsenarchitektur
G 1:
einfache Drüsen, teilweise mit papillären Strukturen
G 2: Verschmelzung von Drüsen mit kribriformen Mustern
G 3: abortive und fehlende Drüsenbildung

Beurteilung nach der Kernstruktur (Kernaplasie)
G 1: gering
G 2: mäßig
G 3: stark

Die Einordnung nach WHO erfolgt dabei nach dem ungünstigsten Grad, d.h. ergibt die Drüsenstruktur ein G 2 Grading und die Kernaplasie ein G 3 Grading ist das Gesamtgrading G 3

Stadieneinteilung beim Prostatakrebs (Prostatakarzinom)

Allgemeine Anmerkungen zur Stadieneinteilung bei Krebserkrankungen

Die Stadieneinteilung beim Prostatakrebs richtet sich, wie bei allen anderen Krebsarten auch, nach der Ausbreitung des Krebses bei Diagnosestellung. Auch beim Prostatakrebs hat die Stadieneinteilung der UICC (Union Internationale Contre le Cancer) weltweit die größte Akzeptanz erlangt.

Die UICC ist eine internationale Organisation mit Hauptsitz in der Schweiz, welche 1933 gegründet wurde und deren Tätigkeitsbereich die Erforschung, Prävention und Behandlung aller Krebserkrankungen beinhaltet.

Zur Klassifizierung des Ausbreitungsstadiums eines Krebses (Karzinoms) wird bei allen Krebserkrankungen eine Einteilung nach drei Kriterien vorgenommen: 

Lokales Ausbreitungsstadium eines Krebses (T-Stadium)

Ist der Krebs noch auf das Organ (z.B. Niere, Prostata, Blase, Magen, Darm) beschränkt oder hat der Krebs bereits Nachbargewebe mit angegriffen. Je höher das T-Stadium, desto schlechter die Prognose, wobei T1-3 Stadien meist sagen, dass der Krebs noch auf das betroffenen Organ begrenzt ist, während bei einem T4 - Stadium bereits die Nachbarorgane/Gewebe mit vom Krebs befallen sind.  

Metastasierung in die örtlichen (lokoregionären) Lymphknoten (N-Stadium)

Hat der Krebs bereits zu Metastasen in die örtlichen Lymphknoten geführt, welche in unmittelbarer Nähe zum mit Krebs befallenen Organ liegen, oder sind bereits entfernte Lymphknotenregionen befallen. Beim Prostatakrebs z. B. wären die örtlichen Lymphknoten die in Prostatanähe befindlichen Lymphknotenstationen entlang der Beckengefäße (Obturatoria- und Iliacalgefäße), während entfernt liegende Lymphknotenstationen solche oberhalb der Aufgabelung der Bauchschlagader (Aortenbifurkation) oder noch entfernter solche in Brustkorbhöhe (selten bis in die Schlüsselbeingrube reichend) bzw. in den Leisten darstellen. Das N-Stadium besagt sowohl wie viele Lymphknotenmetastasen vorliegen und welche Größe sie haben. Allgemein lässt sich sagen, dass bei den meisten Organkrebsen, wo nur 1-2 kleine Lymphknoten befallen sind (sog. N1 – Stadium), durch eine radikale Operation mit Lymphknotenentfernung (sog. Lymphadenektomie) durchaus noch eine Heilung angestrebt werden kann bzw. möglich ist, während bei fortgeschrittenem Lymphknotenbefall (mehr als 2 Lymphknoten befallen bzw. Größe der Lymphknotenmetastasen > 2 cm) prinzipiell meist keine Heilung mehr möglich ist. Durch eine vorgeschaltete Chemotherapie und nachfolgende radikalchirurgische Maßnahmen können in Ausnahmefällen dann doch noch Heilungschancen bestehen. Eine positive Ausnahme stellt hier der Hodenkrebs dar, der auch bei fortgeschrittenem Lymphknotenbefall durch eine Polychemotherapie noch hohe Heilungschancen besitzt.

Fernmetatstasierung (M-Stadium) 

Metastasierung über den Blutkreislauf in fern gelegene Organe wie z.B. die Knochen (bevorzugt beim Prostatakrebs und Brustkrebs befallen) bzw. die Lunge (häufig beim Hodenkrebs, Nierenkrebs oder Blasenkrebs befallen) oder die Leber (häufig befallen bei fortgeschrittenen Karzinomen  der Verdauungsorgane wie Magen, Darm, Bauchspeicheldrüse). Jedes M  1 (+) – Stadium sagt aus, dass eine Fernmetastasierung vorliegt. Generell lässt sich sagen, dass Krebsleiden mit Fernmetastasierung in über 90 % nicht mehr geheilt werden können und die Patienten daran versterben. In Abhängigkeit davon, welches Organ betroffen ist, kann der Todeszeitpunkt durch Chemo- oder Bestrahlungstherapien hinausgezögert werden . Bei Vorliegen einer isolierten (Einzel-) Fernmetastase (z.B. nur eine Knochen- bzw. Lungen -oder Lebermetastase vorhanden) kann durch eine gezielte Metastasenchirurgie in Einzelfällen dann doch noch eine Heilung erreicht werden.Nach UICC werden die verschiedenen Stadien eines Krebses dann gerne auch nach Stadium 0 – IV differenziert (siehe Tab. 11), wobei allgemein gilt, je höher das T-Stadium, desto schlechter die Heilungschancen.

Prognose

(Sterberisiko/Überlebenswahrscheinlichkeit) beim Prostatakrebs (Prostatakarzinom)

Anhand verschiedener großer Langzeitstudien war man in der Lage, verschiedene Kriterien beim Prostatakarzinom herauszuarbeiten, welche eine individuelle Risikostratifizierung zulassen. Parameter, welche in diese individuelle Risikostratifizierung mit eingehen, sind insbesondere der PSA-Wert, das Tumorstadium (T, N, M) sowie vor allem das Grading nach Gleason. Studien der jüngsten Vergangenheit haben zusätzlich gezeigt, dass die PSA-Velocity und hierbei die PSA-Verdoppelungszeit die letzten 12 Monate vor Durchführung kurativer (in Heilungsabsicht durchgeführter) Therapiemaßnahmen (radikale Prostatektomie, Bestrahlungstherapie incl. Brachytherapie) bzw. palliativer Maßnahmen (Antihormontherapie, Chemotherapie) einen Einfluss auf Überlebenswahrscheinlichkeit und Überlebensdauer beim Prostatakrebs haben.

In der Literatur existieren hierbei eine Reihe von Publikationen, welche  unterschiedliche Risikostratifizierungen angeben, die sich aber nur in Nuancen unterscheiden. Als sehr übersichtlich und nützlich, sowohl für den betroffenen Patienten als auch für den behandelnden Arzt, sei stellvertretend für alle Risikostratifizierungen die neueste Stadieneinteilung der American Urological Association (AUA) aus dem Jahre 2006 genannt (nachzulesen im Internet unter www.auanet.org):

Niedriges Risiko:

PSA ≤ 10 ng/ml
Gleason-Score ≤ 6
Klinisch T 1 oder T 2a-Stadium

Mittleres Risiko:  

PSA > 10ng/ml  und < 20 ng/ml
oder Gleason-Score 7
oder klinisch T 2b Stadium

Hohes Risiko:      

PSA > 20 ng/ml
oder Gleason Score 8-10
oder klinisch T 2c- Stadium

Weitere in der Literatur mitgeteilte Kriterien zur Beurteilung der Aggressivität eines Prostatakrebses und somit des Krebs-Sterberisikos sind (siehe Text vorher):

PSA-Velocity > 2 ng/ml/Jahr
PSA-Verdoppelungszeit < 1 Jahr
PSA-density > 0,18 ng/ml ccm3

Therapie und Prognose Prostatakrebs - Prostatakarzinom

Wann sollte eine Diagnostik bei Verdacht auf und folgerichtig eine Therapie bei Bestätigung eines Prostatakrebses aggressiv erfolgen?

Sowohl Patient als auch beratender Arzt müssen sich über sämtliche Konsequenzen klar sein, welche eine aggressive Diagnostik in Richtung Prostatakrebs mit sich bringt: Der persönliche Erfahrungsschatz einer mittlerweile über 25 jährigen Tätigkeit als Urologe, davon die letzten 15 Jahre in eigener Praxis mit über 1.000 an Prostatakrebs erkrankten oder besser mit Prostatakrebs diagnostizierten Männern lässt folgende Schlussfolgerungen zu:

Entscheidet man sich auf Grund eines PSA-Anstieges, wie geartet auch immer dieser ist, oder aber auf Grund anderer hinreichender Verdachtsmomente auf das Vorliegen eines Prostatakrebses für die Durchführung einer Prostatastanzbiopsie (Gewebeentnahmen aus der Prostata) dann sollten sich Patient und Arzt vorher darüber im klaren sein, wie mit einem positiven Ergebnis, also dem Nachweis von Prostatakrebs, umgegangen werden soll, d.h., welche therapeutische Konsequenzen gezogen werden sollen. Die Veranlassung einer Prostatabiopsie ohne vorheriges gemeinsames Ausloten mit dem Patienten der sich prinzipiell daraus ergebenden Konsequenzen ist nicht nur wenig hilfreich sondern kann dem Patienten und seinem gesamten Umfeld (Familie/Freunde) einen nicht wieder gut zu machenden Verlust an Lebensqualität kosten.

Wie schon andernorts erwähnt ist bewiesen, dass nur ca. 15 % der mit Prostatakrebs diagnostizierten Männer letztendlich am Prostatakrebs sterben, die überwiegende Mehrzahl hingegen, also 85 % an anderen Ursachen.

Diese Tatsache kann nicht oft genug hervorgehoben werden, zeigt sie doch, dass für die überwiegende Mehrzahl der Männer die Diagnose Prostatakrebs klinisch irrelevant ist, ihnen aber mit dem Zeitpunkt der Diagnosestellung die Diagnose Krebs unwiderruflich anhaftet mit all den dadurch ausgelösten psychologischen Konsequenzen, für die betroffenen Männer, deren Ehefrauen, deren Kinder und deren Freunde. Ich betone dies deshalb, da die Erfahrungen in der Praxis gezeigt haben, dass für fast alle Männer und deren Umfeld, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die Diagnose Prostatakrebs praktisch immer einem Todesurteil gleichkommt und sich ab dem Tage dieser Diagnose ihr gesamtes Leben komplett verändert insbesondere ihre psychische Grundbefindlichkeit. Steht die Diagnose Prostatakrebs erst einmal so vergeht praktisch kein Tag, an welchem diese Männer nicht mit dem Gedanken „ich habe Krebs“ aufwachen oder einschlafen. Sie sind umher getrieben, stopfen sich mit Tausenden von Seiten aus dem Internet zum Thema Prostatakrebs voll und möchten, dass was geschieht. Nur die wenigsten Männer können sich mit einer wait and see, also reiner Beobachtungsstrategie anfreunden, weil ständig in der Angst lebend, sie könnten was versäumen, der Krebs könnte sie umbringen. Ich könnte diesbezüglich hunderte solcher Beispiele aus der eigenen Praxis aufführen.

Will heißen, wer A sagt wird auch B sagen müssen oder übersetzt, wenn sich der Patient gemeinsam mit seinem Arzt für eine Prostatabiopsie entscheidet, dann wird die überwiegende Mehrzahl der Patienten und vor allem auch derer Partnerinnen, im Falle eines positiven Ergebnisses auf eine aktive therapeutische Konsequenz drängen, man will ja gemeinsam den Krebs bekämpfen. Wissenschaftlich unterlegte Beteuerungen von ärztlicher Seite, dass dieser Krebs harmlos sei, weil z.B. in nur einem Stanzzylinder ein Gleason 5 oder 6 Karzinom nachweisbar war, zählen dann nicht mehr, weil übergeordnet das Makel Krebs dem Patienten anhaftet. Und mit Recht wird sich der Patient und sein Umfeld fragen, warum wurde dann überhaupt eine Biopsie durchgeführt.

Deshalb nochmals der gut gemeinte Ratschlag an die betroffenen Männer und deren behandelnden Ärzte: Überlegen Sie sich es genau ob man eine Biopsie durchführen soll oder nicht.

Die heutige ärztliche Kunst ist es nicht so sehr, einen Prostatakrebs zu diagnostizieren, wie gartet der auch immer ist, sondern die in der Minderzahl befindlichen Patienten herauszufiltern und zum richtigen Zeitpunkt abzufangen, für welche bei zu spät einsetzender Therapie ein Prostatakrebs potenziell lebensgefährlich ist. Welche Parameter dazu herangezogen werden können sind im Kapitel Diagnostik ausführlich dargelegt. Generell sind hierbei insbesondere mit entscheidend die Familienanamnese (Prostatakrebs in der Familie?), die PSA-anstiegsgeschwindigkeit (PSA-Velocity), die PSA-Verdoppelungszeit, der Anteil an freiem PSA und das sonographisch gemessene Prostatavolumen.

Schließlich spielt das Patientenalter eine ganz entscheidende Rolle:
was nützt einem 70 – 75 jährigen Patienten mit einem PSA-Anstieg auf 6 oder 8 ng/ml die Diagnose Prostatakrebs, wenn seine generelle Lebenserwartung mit hoher Wahrscheinlichkeit nur noch einige wenige Jahre beträgt. Übertriebener Aktivismus im Hinblick auf die Diagnostik Prostatakrebs ist hier sicherlich fehl am Platze wird aber leider in der Praxis häufig geübt.

Die meisten Patienten mit Prostatakrebs haben zum Zeitpunkt der Diagnosestellung Mikrometastasen!

In einer auf dem Amerikanischen Urologenkongress 2007 vorgestellten Studie konnten die Autoren bei Anwendung entsprechender Hightech – Labormethoden, welche in der klinischen Routine nicht zur Verfügung stehen, nachweisen, dass die Mehrzahl der zur Operation anstehenden Männer mit Prostatakrebs bereits Prostatakrebszellen im Knochenmark haben (Quelle: Morgan, T.M. et al: Disseminated tumor cells in prostate cancer: implications for systemic progression and tumor dormancy. J. Urol. 2007, 177, No.4 Suppl., abstract 657). Die Autoren aspirierten dabei Knochenmark sowohl von Patienten mit Prostatakrebs, welche zur „kurativen“ Prostataentfernung anstanden, als auch von gesunden Männern mit einem PSA-Wert < 4 ng/ml, bei welchen kein Prostatakrebs bekannt war.

Das aus dem Knochenmark gewonnene Zellmaterial wurde mit aufwändigen labortechnischen Methoden aufbereitet und mit markierten, gegen Prostatakrebszellen reagierenden Antikörpern versehen, welche dann mit Hilfe der Fluoreszenztechnik sichtbar gemacht wurden. Diese Zellen wurden dann zusätzlich bei einem Teil der Patienten  auf chromosomale Veränderungen mittels vergleichender Genom hybridisierender Arrays untersucht. Die gefundenen Ergebnisse waren sehr beeindruckend:

  • 74 % (395 von 537) der Patienten mit Prostatakrebs hatten zum Zeitpunkt der in kurativer (heilender) Absicht durchgeführten Operation bereits nachweisbare Krebszellen im Knochen
  • 15 % (3/20) der gesunden Männer mit PSA< 4 ng/ml hatten ebenfalls nachweisbare Prostatakrebszellen im Knochenmark
  • Bei 79 % (19/24) der Patienten, bei welchen wegen einem Prostatakrebs eine radikale Prostataentfernung durchgeführt worden war und es im weiteren Verlauf zu einem PSA-Anstieg, gleich bedeutend einen Krebsrückfall, gekommen war, wurden ebenfalls Prostatatumorzellen im Knochenmark nachgewiesen
  • Nur 27 % (4/15) der Patienten, bei welchen wegen eines PSA-Anstieges nach operativer Entfernung der Prostata ein Hormon (Testosteron)-entzug erfolgte, hatten nachweisbare Tumorzellen im Knochenmark

Insgesamt konnten bei 56% (58/103) Patienten nach radikaler operativer Entfernung der Prostata noch Tumorzellen im Knochenmark nachgewiesen werden ohne dass der PSA-Wert im Blut dies angezeigt hätte. Im weiteren Verlauf entwickelten 6 dieser positiven 58 Patienten sichtbare Metastasen.

Was lehrt uns diese Studie:
Zum Zeitpunkt der Diagnose Prostatakrebs haben 75 % aller Männer bereits Mikrometastasen im Knochenmark, wären also de facto nicht mehr heilbar, weil ja der Prostatakrebs über die Blutbahn bereits Krebszellen in den Knochen gestreut hat. Klinisch verhält sich dies aber völlig anders: Nur ein kleinerer Anteil dieser Patienten entwickelt später Metastasen nach radikaler operativer Entfernung der Prostata. Warum ist dies so? Je älter wir werden, desto häufiger kommt es in unserem Körper zur Entstehung bösartiger Tumorzellen in den verschiedensten Organen, welche im Normalfall durch die eigene Immunabwehr wieder abgetötet werden. Erst wenn die eigene Immunabwehr entscheidend geschwächt ist, sei es durch andere Erkrankungen, oder aber genetisch bedingt oder aber wenn genetisch bedingt, eine familiäre Häufung für eine bestimmte Krebsart (hier Prostatakrebs) vorliegt, dann werden diese Krebszellen nicht mehr alle abgetötet, können sich vermehren und wachsen, so dass es dann in der Prostata zu einem Areal (klinisches Korrelat ist häufig ein tastbarer harter Knoten) mit entartetem Gewebe, also der Manifestation eines Prostatakrebses kommt. Da solches Krebsgewebe natürlich von Blutgefäßen versorgt wird, kommt es bereits in Frühstadien eines Krebses zum Anschluss an den Blutkreislauf und damit zu der Möglichkeit, dass Krebszellen in den Blutkreislauf abgeschilfert werden, so in andere Organe gelangen und dort quasi lange „überwintern“, sprich schlafen können (Englischer Ausdruck: tumor dormancy). Irgendwann im späteren Verlauf können diese Tumorzellen wieder aus dem „Dornröschenschlaf“ erwachen, sich vermehren und wachsen und dann klinisch sichtbare Metastasen bilden, die dann schließlich meist zum Tode führen. Dies erklärt auch, dass wir in unserer Urologischen Sprechstunde bisweilen Patienten sehen, welchen es die ersten Jahre nach radikaler Entfernung des Prostatakrebses bestens geht, die dann aber plötzlich 5, ja 10 Jahre nach dieser Maßnahme Metastasen entwickeln (bei einem eigenen Fall war dies über 10 Jahre nach Operation der Fall). Letztendlich sind die Ursachen, warum einige der von Krebs befallenen Patienten solche, häufig zum Tode führenden Spätmetastasen entwickeln, bei vielen anderen aber diese gestreuten Tumorzellen weiter schlafen oder absterben, im Detail ungeklärt. Vieles spricht für genetische und immunologische Faktoren.

Prognose nach radikaler Entfernung der Prostata

(Radikale Prostatektomie – offen chirurgisch oder laparoskopisch)

Zur Abschätzung Ihrer persönlichen, individuellen Prognose sind folgende Dokumente erforderlich:

  1. Entlassungsbrief aus dem Krankenhaus, in welchem die wichtigsten Daten aufgeführt sind, insbesondere das Tumorstaging (T- und N-Kategorie) und Gleasongrading
  2. Operationsbericht, aus welchem hervorgeht, wie operiert worden ist und insbesondere, welche und wieviele Lymphknoten entfernt worden sind
  3. Pathologie (Histologie)bericht, dieser Bericht muss insbesondere:
    a, Anzahl und Lokalisation der links- und rechtsseitig entnommenen Lymphknoten
    b, genaue Beschreibung der entfernten Prostata, insbesondere, ob die Absetzungsränder der Prostata im Gesunden erfolgten oder ob der Prostatakrebs bis an den chirurgischen Absetzungsrand reichte und wenn ja, wo dies der Fall war
    c, ob der Prostatakrebs die Samenblasen befallen hat oder nicht und ob die Samenblasen vollständig entfernt worden sind
    d, das genaue Gleasongrading, also den Differenzierungsgrad des Prostatakrebses

Beinhaltet der Pathologie-(Histologiebericht) nicht alle diese Punkte, so entspricht er nicht den gängigen Richtlinien und ist damit als fehlerhaft anzusehen. 

Generell bekommen die Patienten bzw. deren weiter behandelnde Urologen nur einen Entlassungsbericht vom Krankenhaus ausgehändigt, meist nicht einen Operationsbericht bzw. Histologiebericht.

Sie als Patient als auch Ihre weiter behandelnde Urologe haben aber ein Recht auf die Aushändigung dieser  Dokumente, mit deren Hilfe erst eine genaue Beurteilung Ihrer Prognose möglich ist. Sie sollten also darauf unbedingt bestehen. Auch wenn die radikale operative Entfernung der Prostata mit Samenblasen und Lymphknoten stets in kurativer, also heilender Absicht erfolgt kommt es bei einem Teil der Patienten zu einem Rückfall bzw. einem Fortschreiten der Krebserkrankung. Dieses Fortschreiten der Krebserkrankung wird als Erstes an einem Ansteigen des PSA-Wertes im Blut sichtbar.

Generell fällt der PSA – Wert nach operativer Entfernung der Prostata auf nicht mehr messbare PSA-Werte zurück, d.h., dass der PSA-Wert auf < 0,1 ng/ml abfallen sollte.

Fällt der PSA- Wert nicht auf diesen Wert zurück so ist dies fast immer (in über 95 %) ein Indiz dafür, dass noch Tumorzellen im Körper verblieben sind, welche weiterhin PSA produzieren. Solche Prostatakrebszellen können prinzipiell an folgenden Stellen zurück geblieben sein:

Prostatabett

d.h. an der Stelle, wo sich ursprünglich die Prostata befand. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein trotz operativer Entfernung der Prostata weiter im Blut messbarer PSA-Wert von verbliebenen Krebszellen aus dieser Region stammen ist dann insgesamt hoch, wenn im Histologiebericht beschrieben wird, dass der Prostatakrebs bis an die chirurgischen Abtragungsränder gereicht hat bzw. die Prostata nicht vollständig im gesunden Gewebe entfernt worden ist.

Lymphknoten

Die Wahrscheinlichkeit, dass so genannte okkulte Lymphknotenmetastasen übersehen worden sind ist um so größer je weniger Lymphknoten im Operationspräparat sind. Durch eine Reihe von Studien ist mittlerweile bewiesen, dass beim Prostatakrebs, wenn er in die Lymphknoten streut, nicht nur die Lymphknoten in der so genannten Fossa obturatoria (obturatorische Lymphknoten) und entlang der externen Iliacalgefäße befallen sein können. Patient und behandelnder Arzt müssen aber dabei wissen, dass insbesondere auch die Lymphknoten entlang der internen Iliacalgefäße bzw. präsacral, befallen sein können und diese Lymphknoten von den meisten Operateuren nicht entfernt werden, weil deren Entfernung mit einem erhöhten technischen und Zeitaufwand verbunden ist.

Gute Operateure, welche um diese Problematik wissen, entfernen durchschnittlich 12-20 Lymphknoten, wobei dann darin auch die genannten schwierigeren Regionen beinhaltet sind, nachlässige Operateure, welchen es nur um die Zeit und das Geld geht, belassen es bei 3-8 Lymphknoten, wobei dann darin die besagten internen ilacalen und präsakralen Lymphknoten nicht beinhaltet sind. Also sehen Sie in dem Histologiebericht genau nach, wie viele und welche Lymphknoten entfernt worden sind.

Knochenmetastasen

Bezüglich der über die Blutbahn erfolgenden Fernstreuung (Fernmetastasierung) wird beim Prostatakrebs das Knochenskelett und hier vorzugsweise Wirbelsäule, Rippen und Beckenknochen befallen. Erst in Spätstadien der Metastasierung werden andere Organe wie Lunge, Leber, Gehirn befallen. Wie schon zuvor erwähnt können bereits bei den meisten Patienten (ca. 75%) zum Zeitpunkt der Diagnose des Prostatakrebses mit entsprechend aufwändigen laborchemischen Methoden Tumorzellen im Knochenmark nachgewiesen werden, ohne dass diese mit den herkömmlichen Bild gebenden Verfahren wie Skelettszintigraphie oder konventionellen Röntgenaufnahmen nachgewiesen werden können. Zum Glück führen diese bereits zum Zeitpunkt der Prostatakrebsdiagnose im Knochen nachweisbaren Tumorzellen bei  der Mehrzahl der Patienten schließlich nicht zur Manifestation von sichtbaren Metastasen mit klinischen Symptomen und sind mithin irrelevant. Nur bei einem kleinen Prozentsatz der Männer mit Prostatakrebs ist die Immunabwehr nicht in der Lage diese früh metastasierten Zellen abzutöten, sodass es im weiteren Verlauf dann zum Auftreten von sichtbaren Metastasen kommt. Dies kann auch nach einer radikalen operativen Entfernung der Prostata der Fall sein und wird dann meist Jahre nach dem Eingriff anhand eines mehr oder weniger schnellen PSA-Anstieg ersichtlich.

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